Drei Modelle von Behinderung. Teil 2: Behindert werden durch Hindernisse.

Im zweiten Teil der Reihe stelle ich das wohl derzeit bekannteste Modell von Behinderung vor: Das soziale Modell von Behinderung entstand in den 1960er Jahren vorwiegend im angelsächsischen Raum (Barnes 2012: 12ff.). Vor allem kritisiert es das „individuell-medizinische Modell von Behinderung“, welches damals weit verbreitet war und sich auch heute immer wieder in alltäglichen Begegnungen finden lässt.

Kritisiert wurde durch das soziale Modell von Behinderung insbesondere die Vernachlässigung bzw. Nicht-Beachtung der durch die Gesellschaft errichteten Barrieren. Dazu gehören Entmündigungen, Herabsetzungen, Benachteiligungen im Alltag durch bauliche Hindernisse und ähnliches (vgl. Barnes 2012: 15f., 18). Das soziale Modell löst die Teilung von Disability und Handicap auf und schiebt deren Bedeutungsebenen wieder zusammen. Dadurch findet ein Perspektivwechsel statt und die Gesellschaft rückt in den Fokus. Es ist nun nicht mehr ein Behindert-Sein, sondern ein Behindert-Werden. Eine Problematisierung dieser Aufteilung findet im nächsten Beitrag dieser Reihe statt.

Eine Abweichung von der Norm wird erst durch die gesellschaftlich aufgebauten Barrieren zu einer Behinderung. Dazu zählen nicht nur bestimmte Normen und Werte, sondern auch deren Objektivierung in baulichen Maßnahmen.

Um wieder bei mir als Beispiel zu bleiben, bedeutet das konkret: Meine linksseitige Hemiparese ist erst im Zusammenhang mit bestimmten gesellschaftlichen Anforderungen ans Autofahren für mich behindernd. So ist für mich die Standard-Bauweise der Bedienelemente fürs Blinken und häufig auch Lichtschalter oder die Gangschaltung sehr ungünstig zu handhaben. Hier wird ein bestimmter Körper vorausgesetzt und wer den nicht hat, kann das Auto nicht bedienen. Es müssen Ausweichstrategien erstellt oder individuelle Anpassungen vorgenommen werden, um Barrieren abzubauen (was häufig Geld kostet). Die Mobilitätsanforderungen auf dem Arbeitsmarkt ist dann eine weitere Behinderung.

Teil 3 erschien am 14.02.16

Literatur:
Barnes, Colin (2012): Understanding the social model of disability: past, present and future. In: Watson, Nick/Roulstone, Alan/Thomas, Carol (Hg.): Routledge Handbook of Disability Studies. Oxon/New York, NY: Routledge, S. 12-29.

Waldschmidt, Anne (2005): Disability Studies: Individuelles, soziales und/oder kulturelles Modell von Behinderung? In: Psychologie und Gesellschaftskritik 29 (1), S. 9-31. http://bidok.uibk.ac.at/library/waldschmidt-modell.html#idm770320  (zuletzt abgerufen: 03.02.2016)

 

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